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604 Meter über dem Lysefjord – Wanderung zum Preikestolen

Ja, so kann es gehen. Manchmal nützt die beste Reiseplanung nicht, wenn das Wetter nicht mitspielt. Von den sechs Wochen Aufenthalt in Norwegen hat es an genau drei Tagen geregnet. Von den drei Regentagen konnten wir uns somit den besten Tag aussuchen. Dieser hat uns zwar nicht die typischen Bilder vom Preikestolen beschert. War aber nicht weniger landschaftlich spannend. Doch schaut selbst.

Der Preikestolen – der Predigerstuhl in luftiger Höhe

Wer sich mit Norwegen beschäftigt, wird nach kurzer Zeit auf eines der beliebtesten Fotomotive des Südens stoßen. Der Preikestolen. Der Preikestolen oder Prekestolen ist eine beeindruckende Felsformation, welche sich leicht über den Lysefjord erstreckt. Wer es auf die 25 Meter x 25 Meter große Felsplattform schafft, wird mit einer atemberaubenden Aussicht belohnt. Besonders spektakulär ist bei schönem Wetter der Blick in den 604 Meter tief liegenden Lysefjord. Der Preikestolen befindet sich in der Region Ryfylke in der norwegischen Provinz Rogaland im süden des Landes.

Anfahrt zum Preikestolen

Wer zum Preikestolen wandern möchte, startet am besten am frühen Morgen. So habt Ihr genug Zeit die Landschaft zu genießen und zwischendrin ein paar Pausen zu machen. Wer vor 10 Uhr anreist entgeht so zudem den Massen an Reisebussen (die Kreuzfahrtschiffe bieten Touren zum Preikestolen an, so dass die Strecke schlagartig mit 60 und mehr Personen geflutet wird) und bekommt noch einen guten Parkplatz.

Ausgangspunkt ist zum Beispiel der feine Campingplatz in unmittelbarer Nähe zum Preikestolen. Aber auch am Startpunkt des Wanderweges Berggasthof Preikestolen Fjellstue  gibt es Übernachtungsmöglichkeiten für Reisende, welche Hotelzimmer bevorzugen. Die Herberge liegt direkt neben dem großen Parkplatz. Für diesen zahlt man eine Tagesgebühr. Übernachten ist hier nicht gestattet.

Der Wanderweg zum Preikestolen und seine Tücken

Beschauliche 4 km ist der Weg zum Preikestolen lang, aber hat es durchaus in sich. Denn während Ihr auf dem Hinweg rund 3-4 Stunden nur bergauf lauft, geht es auf dem Rückweg fast ausschließlich die gesamte Zeit bergab. In dieser Zeit lasst Ihr rund 350 Höhenmeter hinter Euch.

Zeitlicher Umfang: Da die Norweger durchweg alle etwas fitter sind, als der durchschnittliche deutsche Tourist, lasst Euch bitte durch die Zeitangaben nicht täuschen. Angeben sind 2 Stunden je Richtung. Plant aber bitte für den Auf- und Abstieg ausreichend Zeit ein. Mit kleinen Pausen und Aussicht genießen haben wir rund 8 Stunden benötigt. Wer nicht gerade zu den ganz sportlichen zählt oder Kinder mit dabei hat, sollte diese Zeit einplanen. Realistisch dürften für einen normal sportlichen Menschen bei gutem Wetter rund 5-6 Stunden sein. Bitte lauft nur bei guter Witterung und schaut, dass Ihr im Hellen wieder zurück seid. Im Dunkeln ist der Weg einfach zu gefährlich. Selbst der norwegische Tourismusverband hat die Strecke mit herausfordernd tituliert.

Der Weg ist ungefähr von April bis Oktober begehbar. Bei Schnee solltet Ihr von der Strecke Abstand nehmen. Die Passagen sind (bis auf an einer Stelle nicht gesichert). Kurz vor der Kanzel muss ein sehr schmaler Wegabschnitt überwunden werden, welcher ungefähr 60 cm breit ist. Rechts die Wand und links 600 Meter Abgrund.

Für wen ist der Weg geeignet: Für alle Personen, welche körperlich gesund sind und keine Knie- oder Hüftprobleme haben. Man sollte eine halbwegs gute Fitness haben, denn der Abstieg über die großen Felsblöcke geht auf die Muskeln, da es keine Abwechslung der Belastung gibt. Kinder ab ca. 10-12 Jahre können die Strecke mitlaufen, wenn diese Wanderungen gewohnt sind. Jedoch sollten Sie mit den Gefahren der Berge vertraut sein und von sich aus wissen, dass sie Absturz gefährdet sind. Auf der Strecke ist es nicht ganz einfach die Kinder immer im Auge zu behalten. Herr Sohn war zwischendrin für rund zwei Stunden für mich nicht erreichbar.

Ausstattung: Ihr solltet festes, stabiles Schuhwerk tragen. Schwere hohe Wanderschuhe sind beim Abstieg eher hinderlich. Wanderstöcke sind für den Abstieg ein wirklich nützliches Utensil. Insbesondere, wenn Ihr etwas mehr Gewicht mitbringt. So leiden die Knie nicht allzu sehr. Aber auch zum Halten des Gleichgewichts auf den Stufen sind sie bestens geeignet. Mit dabei sein sollte immer ein gepackter Rucksack mit Regensachen, warmen Pulli, Mütze und ausreichend zu trinken und essen. Ihr solltet darauf vorbereitet sein, dass das Wetter umschlagen kann und Ihr eine Weile im Berg ausharren müsst, bis Rettung naht. Im Beitrag Ich packe meinen Rucksack – gut vorbereitet – sicher wandern erfahrt Ihr, was Ihr alles mitnehmen solltet.

Die erste Etappe

Das erste Stück geht es über eine angelegte Steintreppe aus Natursteinen steil bergan. Was so einfach aussieht, geht ganz schön auf die Oberschenkelmuskulatur, denn die Stufen sind alles andere als genormt und in der Regel gut 10 cm höher als eine normale Treppenstufe. Eine willkommene Abwechslung ist da der Wasserlauf mit kleinem natürlichen Quellbecken, welcher zu einer kleinen Rast einlädt. Das kühle frische Wasser aus dem Berg tut gut.

Weiter geht es auf dem Steinpfad vorbei an den für Norwegen so typischen Steintürmchen. Auch wir lassen es uns nicht nehmen, unseren Stein hinzuzulegen.

Ab hier kann man bereits eine wundervolle Aussicht genießen und für einen Moment kann man auf dem gewachsenen Boden weiter laufen. So richtig hell will es heute leider nicht werden. Wie sich hinterher herausstellen wird, haben wir von den drei Regentagen in unserem Urlaub den besten Tag heraus gefischt. Denn auch, wenn nach einer weiteren halben Stunde Laufzeit der Nieselregen immer dichter wird und Regenhose und Regenjacke unverzichtbar werden, so regnet es nicht den ganzen Tag durch.

Kleine Abkühlung gefälligst?

Als Zwischenstopp auf unserer Wanderung hatten wir nach rund 2/3 der Strecke einen kleinen See im Visier. An diesem wollten wir ursprünglich verweilen und schwimmen gehen. Leider macht uns jetzt der Regen so richtig einen Strich durch die Rechnung und auch die Temperaturen fallen weiter ab. Während wir bereits die Tage vorher Sonnenschein und 25 Grad gewohnt waren, holen wir jetzt tatsächlich auch noch unsere Mützen hervor. Durch die Regenjacken sind wir ein Glück vor dem kühlen Wind geschützt.

Der letzte Abschnitt

Ab jetzt ist der Preikestolen schon fast zum Greifen nahe. Es geht über ein glattes Felsplateau weiter. Hier befindet sich auch eine Wetterschutzhütte. Unter anderem ist auch hier die Bergwacht zu finden, da das Plateu problemlos von einem Helikopter angeflogen werden kann. Wir erleben mit, wie ein kleines Mädchen verarztet wurde und wie hier die Retter sehr schnell vor Ort waren.

An diesem Plateau ist die Baumgenze erreicht und die Landschaft verändert sich schlagartig. Achtung. Hier kann es ganz schön rutschig sein. Immerhin hat es mittlerweile aufgehört zu regnen und der Wind hat nachgelassen.

Die letzten Meter. Nur noch kurz „um die Ecke“ biegen. Aber vorher wird noch einmal der ganze Mut gefordert. Denn wer nicht regelmäßig in den Bergen unterwegs ist, muss nun an der einzigen gesicherten Passage vorbei. Wer mutig ist, geht an das Geländer heran und schaut hier schon einmal in die Tiefe des Lysefjords hinab.

 

Es folgt noch eine ungesicherte Passage, welche nichts für Menschen ist, welche nicht schwindelfrei sind. Und dann öffnet sich endlich der lang ersehnte Blick auf den Preikestolen – den Predigerstuhl. Obwohl das Wetter heute denkbar schlecht ist, haben es doch einige Leute hier hoch geschafft. Aber die Menschenansammlung ist überschaubar.

Auf dem Preikestolen – 604 Meter über dem Lysefjord

Wir lassen uns den Nervenkitzel natürlich nicht entgehen und schauen über die Abbruchkante des Preikestolen nach untern. Schemenhaft erkennen wir eines der Touristenschiffe. Es ist klein wie ein Ruderboot. Wenn man da jetzt herunter stürzt …..

Ansonsten verzichten wir auf die kategorischen Preikestolen – Bilder, da die Wolkendecke immer dichter wird und auf den Bildern eh nicht viel zu sehen sein wird. Wir suchen uns einen Sitzplatz und legen erst einmal eine Pause ein und verzehren unsere mitgebrachten Sachen. Erst jetzt merken wir, wie die Nässe und Kälte zusätzlich Energie raubt. Allzu lange bleiben wir nicht hier oben, da es einfach zu kühl ist und der Rückweg auch noch einmal Zeit in Anspruch nehmen wird.

Eine ganz andere Perspektive

Wir laufen durch die dichte feuchte Wolkendecke zurück. Leider fehlt die Aussicht, aber wer kann schon behaupten, dass er mitten in den Wolken gestanden hat?

Der Rückweg bietet auf jeden Fall eine ganz andere Perspektive, sodass es alles andere als langweilig ist, den gleichen Weg hin und her zu laufen.

Wir sind erstaunt, wie viele kleine Seen es hier oben auf dem Plateau gibt. Und an der einen oder anderen Stelle hat man das Gefühl, dass man sogar das Meer sehen kann.

Etwas weiter unten wachsen wieder zahlreiche Bäume und Pflanzen. Über einen Holzsteg quert man ein Moor. Hier sorgt der Nebel für eine ganz eigene Atmosphäre. Wunderbar!!!

Zum Schluss noch gefühlte 1000 Stufen hinab steigen, bevor wir völlig durchnässt und etwas fröstelnd endlich unser Lotti-Mobil erreichen. Jetzt erst mal trocken anziehen,die Heizung voll aufdrehen und eine heiße Schokolade genießen.

Wir fahren an dem Abend noch weiter, da man auf dem Parkplatz nicht übernachten darf. Solltet Ihr nicht gerade in der Hauptferiensaison unterwegs sein, so finden sich auf dem Weg nach unten kleine Buchten, in denen man mit einem kurzen Fahrzeug die Nacht verbringen kann. Der Ausblick ist auf jeden Fall unbeschreiblich schön!

Für alle anderen sei noch einmal der Campingplatz empfohlen.

Fazit: Auch bei nicht so idealen Wetter ist der Preikestolen durchaus einen Ausflug wert. Die Landschaft hat auch bei Nebel seinen Reiz. Die Wanderung auf den Preikestolen ist herausfordernd, aber mit ausreichend Zeit machbar. Durch das monotone bergauf bzw. bergab ist die Muskulatur hier jedoch anders gefordert, als bei einer normalen Wanderung. Bedenkt bitte, dass Ihr nicht nur genug Power haben müsst, um den Berg hinauf zu kommen, sondern auch ausreichend trainierte Muskeln haben solltet, um gesund wieder unten anzukommen. Denn die Treppen gehen auf die Gelenke und schnell ist bei einer Überlastung der Urlaub dann mehr oder weniger beendet.

Ihr habt Lust auf noch eine herausfordende Wanderung am Lysefjord? Keine 10 Minuten auf der anderen Seite des Fjores findet Ihr Flori und die 4444 Stufen in den Himmel. Hier gehts zum Bericht:Von 0 auf 4444 – Stairway to heaven

Lust auf eine spritzige Tour durch den Lysefjord. Auch auf dem Wasserweg ist der Fjord wirklich beeindruckend. Die schönsten Momente erlebt man ganz früh morgens um 6:00. Welche Fähren es gib und wie man diese bucht, erfahrt ihr im Bericht: von 0 auf 4444 – Auf dem Weg nach Florli  Ich kann Euch schon jetzt verraten, der Katamaran der staatlich subventionierten Fähre macht richtig Lust.

Und wer es auf dem Weg nach Hause etwas gemütlicher mag, so fast ohne Steigung und dennoch eine besondere Perspektive einnehmen möchte, dem sei die Flößerrinne empfohlen. Tømmerrenna – Die Flößerrinne in Vennesla

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About Alexandra Gerhardt-Botzian

2 thoughts on “604 Meter über dem Lysefjord – Wanderung zum Preikestolen

  1. Vielen Dank für euren schönen Bericht, da kamen viele Erinnerungen hoch! Wir waren im Juli 2019 dort und können uns euren Eindrücken nur anschließen ☺️

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